Vogelschlag
Sind Windenergieanlagen für Vögel gefährlich?
Zahlreiche Vögel am Boden von Windenergieanlagen (WEA), tödlich verletzt durch eine Kollision mit den Rotorblättern: ein Bild, das Windkraftgegnerinnen und Windkraftgegner gerne nutzen, um gegen Windenergie mobil zu machen – oder tatsächlich die Realität? Die Frage, ob WEA für Vögel eine große Gefahr darstellen, beantwortet Dr. Andreas Zahn, Artenschutz-Experte beim BUND Naturschutz in Bayern e.V., mit „einem klaren Jein“.
„Natürlich sterben Vögel in den Anlagen und bei jedem Vogel ist das ein tragisches und bedauerliches Ereignis. Man muss es aber auch in Relation sehen: verglichen mit dem Straßenverkehr oder der Kollision mit Glasscheiben ist die Gefahr deutlich geringer“, sagt er. Neben Glasscheiben und dem Straßen- und Bahnverkehr gilt etwa die Hauskatze als eine der häufigsten Todesursache für Vögel in Deutschland. Auch Stromleitungen stellen größere Risiken dar. Für bestimmte Arten ist allerdings die Mortalität an Windkraftanlagen durchaus ein Faktor, den man nicht außer Acht lassen darf. Doch schon jetzt bedroht der Klimawandel viele Vogelarten – und die Windenergie ist ein zentrales Hilfsmittel gegen die sich abzeichnende Klimakatastrophe.
Bei sogenannten Antikollisionssystemen handelt es sich um technische Überwachungs- und Abschaltsysteme, die an WEA als Vermeidungsmaßnahmen eingesetzt werden. Radar- oder Kamerasysteme erkennen, wenn Vögel im Anflug sind und veranlassen eine automatische Abschaltung der Windenergieanlage, bevor es zu Kollisionen kommt.
Im Rahmen eines vom Bayerischen Wirtschaftsministerium und dem Bayerischen Umweltministerium gemeinsam geförderten Forschungsprojekt (Laufzeit 2022 bis 2026) wird ein kamerabasiertes Antikollisionssystem in einem Waldstandort der Gemeinde Fuchstal (Lkr. Landsberg am Lech) auf seine Praxistauglichkeit getestet. Das System ist mit neuester, KI-gestützter Technik ausgestattet und soll die Kollision von Vögeln mit Windenergieanlagen durch rechtzeitiges Abschalten verhindern. Bei den im Film genannten Daten handelt es sich um aktuelle Auswertungen im laufenden Forschungsvorhaben (Stand Sommer 2023).
Weitere Informationen zum Projekt in Fuchstal oder auch zur Thematik Antikollisionssysteme finden sich unter folgendem Link: Tagung: Vereinbarkeit von Windenergie und Artenschutz durch Antikollisionssysteme - Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (naturschutz-energiewende.de)
Exakte Zahlen zum Thema Vogelschlag bei WEA lassen sich nur schwer finden. Eine Pflicht zur Meldung toter Vögel gibt es nicht – und häufig werden Kadaver am Fuße der Anlagen auch direkt von Beutegreifern wie Füchsen gefressen.
Aus Artenschutzsicht sei generell entscheidend, welche Vogelarten betroffen sind, so Dr. Zahn. „Eine sich gut vermehrende Population verkraftet zusätzliche Todesfälle leichter als ein abnehmender Bestand“, sagt er. Während also beispielsweise bei der Stockente, einem regelmäßigen Schlagopfer, keine negativen Auswirkungen auf die Population zu erwarten seien, würden bei gefährdeten oder seltenen Vogelarten wie dem Seeadler bereits vereinzelte Kollisionen zum Problem.
Generell müssen Maßnahmen ergriffen werden, um Kollisionen weitestgehend zu vermeiden. Anzufangen ist dabei bereits bei der Wahl des Standortes, der artenschutzfachlich genau geprüft werden muss. Während des laufenden Betriebs der Anlagen kommen zudem vermehrt Antikollisionssysteme zum Einsatz, die ersten Untersuchungen zufolge dazu beitragen können, gerade den Vogelschlag unter Greifvögeln deutlich zu reduzieren. „Kameras mit KI-Technologie, die bestimmte Vogelarten erkennen, haben sich schon in der Praxis bewährt“, sagt Dr. Zahn. Hilfreich könne zudem die zeitweise Abschaltung der WEA nach der Ernte auf nahegelegenen Feldern sein, da Greifvögel dort auf Nahrungssuche gehen und dabei häufig in den gefährlichen Nahbereich der Rotoren gelangen.
Auch wurden Versuche unternommen, Vogelschlag durch optische Auffälligkeiten wie einem schwarzen Rotorblatt zu verhindern. „Es ist sinnvoll, in diesem Bereich noch mehr zu experimentieren“, so der Artenschutz-Experte. Wichtig sei in diesem Zusammenhang, schon im Genehmigungsverfahren für Anlagen an eventuelle Nachbesserungen zu denken, um mögliche neue Systeme auch nachträglich noch einbauen lassen zu können. „Auch bei bestehenden Anlagen", so Dr. Zahn, „sollte man sich der neuen Technik nicht verschließen, wenn so gefährdete Vogelarten geschützt werden können.“