Windräder und Immobilienpreise
Windenergieanlagen können den Wert von Häusern und Grundstücken in ihrer Umgebung sinken lassen – Andere externe Faktoren wiegen schwerer.
„Ist mein Haus nun weniger wert, wenn hier plötzlich ein Windrad steht?“ Der Bau von Windkraftanlage wirft bei Anwohnern viele Fragen auf: nach der Lautstärke, möglichem Schattenwurf, den Auswirkungen auf das Landschaftsbild und vieles mehr. Eigentümer von Häusern, Wohnungen oder Baugrundstücken rund um die Anlagen dürften sich Gedanken machen, wie sich deren Wert entwickelt, wenn eine Windkraftanlage in der Nähe errichtet wird. Der Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Immobilienpreise und dem Bau von Windrädern ist mehrfach wissenschaftlich untersucht worden – mit durchaus unterschiedlichen Ergebnissen.
Man muss zwei grundsätzliche Effekte unterscheiden“, sagt Professor Paul Lehmann vom Institut für Infrastruktur und Ressourcenmanagement an der Universität Leipzig. „Der Wert landwirtschaftlicher Flächen steigt, wenn solche Flächen als Standorte für Windenergieanlagen in Frage kommen.“ Anders verhalte es sich mit Hauspreisen: „Abhängig von der Entfernung gibt es einen Effekt von einem bis drei Prozent Wertverlust.“ Dieser Effekt nehme mit der Distanz ab, je weiter man sich von den Anlagen entfernt. „Nach ungefähr fünf Kilometern sind oft keine statistisch signifikanten Effekte mehr nachweisbar“, sagt Lehmann. Zwar führen mehr Windenergieanlagen an einer Stelle zu einem stärkeren Sinken der Immobilienpreise. Jedoch hat dabei jede weitere Windenergieanlage einen immer schwächer werdenden Einfluss: „Ob nun zehn oder zwanzig Windräder stehen, macht dann keinen Unterschied mehr“, sagt Lehmann.
Deutlicher Gewöhnungseffekt
Interessant sei auch der zeitliche Aspekt. „Die Menschen gewöhnen sich daran und nehmen das als Teil des Landschaftsbildes wahr“, sagt Lehmann über den Bau neuer Windenergieanlagen. So sind die Auswirkungen auf die Immobilienpreise oft zu dem Zeitpunkt am größten, wenn die Anlagen gebaut werden sollen: „Dann schwächen sich die Auswirkungen auf den Preis ab.“
Ein Vergleich mit anderen Infrastrukturmaßnahmen wie Straßen oder Überlandleitungen sei schwierig, so Lehmann: „Bei Kernkraftwerken gibt es beispielsweise Studien, die zeigen, dass sich diese positiv auf Immobilienpreise auswirken.“ Dies hänge damit zusammen, dass dort Arbeitsplätze lokal geschaffen wurden.
„Man darf bei der Verteilung der räumlichen Lasten nicht nur auf die Immobilienpreise schauen“, gibt Lehmann zu bedenken. Etwaigen Verlusten bei Immobilienwerten könnten Einnahmen gegenüberstehen: „Wenn eine Gemeinde oder die Bürger eine finanzielle Beteiligung bekommen, dann kann sich das Wohnumfeld durch die Einnahmen durchaus aufwerten.“
Der Wirtschaftswissenschaftler Mathias Mier vom Münchner IFO-Institut hat zu den externen Kosten von Windenergieanlagen, die aus der Wahrnehmung von visuellen Beeinträchtigung und Lärm entstehen können, geforscht. Auch laut Mier führen Windenergieanlagen durchaus zu einer Entwertung von Grundstücken. Statistisch signifikante Effekte auf Grundstückswerte seien gemäß verschiedener Studien bis zu 2500 Meter von Windenergieanlagen messbar, sagt Mier. Dabei sei zu beachten, dass Windenergieanlagen schon in einem Abstand von 1000 bis 1500 Metern praktisch nicht mehr zu hören seien. Ein weiterer Faktor zur Einordnung der Beeinträchtigungen sei ebenfalls noch zu bedenken: „Die größte Externalität ist der Verkehr beziehungsweise der permanente Lärm durch den Verkehr“, sagt Mier. „Das ist viel bedeutender, als alle Windturbinen in Deutschland, auch die, die noch gebaut werden.“
Finanzieller Ausgleich schafft Akzeptanz
Durch eine optimale Verteilung von Windenergieanlagen könnten solche externen Effekte stark verringert werden. „Man kann mit wenig Output-Verlust Windräder dort bauen, wo man sehr wenig Leute beeinflusst“, sagt Mier. Auch ein finanzieller Ausgleich für Bewohner betroffener Gebiete sei eine Möglichkeit: Hiermit könnte man zum einen zum Beispiel die Hausbesitzer direkt entschädigen, zum anderen mit Geldern für die betroffenen Gemeinden Investitionen in die örtliche Infrastruktur zur Wertsteigerung fördern. Solche Kompensationen könnten die örtliche Akzeptanz von Windkraft erhöhen.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sieht einen solchen Ausgleich bereits in Form der Kommunalbeteiligung vor. Anlagenbetreiber sollen „Gemeinden, die von der Errichtung ihrer Anlage betroffen sind“, finanziell beteiligen. Konkret soll der Anlagenbetreiber den Kommunen in einem Umkreis von zweieinhalb Kilometern um die Anlage Beträge von 0,2 Cent pro Kilowattstunde (kWh) anbieten.
In der jüngsten Studie zum Thema – erschienen im Februar 2024 im Fachmagazin „Energy Policy“ – haben US-amerikanische Forscher den Trend in urban geprägten Regionen über einen sehr langen Zeitraum von 15 Jahren untersucht. Das Ergebnis: Direkt nach der Bekanntgabe eines Windkraftprojekts fielen die Hauspreise in einem Umkreis von 1600 Metern um bis zu elf Prozent, im Vergleich zu nicht betroffenen Immobilien in einem Umkreis von fünf bis acht Kilometern. Doch dann kehrte sich der Trend um: Neun Jahre nach Ankündigung des Bauvorhabens war ein Unterschied der Immobilienpreise statistisch nicht mehr messbar. Für Häuser in einem Umkreis von mehr als dreieinhalb Kilometern waren im beobachteten Zeitraum sogar überhaupt keine Auswirkungen spürbar.
Auf Grundlage von Bodenrichtwerten haben deutsche Wissenschaftler die Auswirkungen auf den Grundstückswert am Beispiel von ländlichen Landkreisen in Schleswig-Holstein untersucht. Die 2023 in der Zeitschrift für Immobilienökonomie veröffentlichte Studie kommt zum Ergebnis, dass der Einfluss von Windenergieanlagen auf die Bodenrichtwerte durchaus nachgewiesen werden kann. So wiesen Grundstücke in der Nähe von Windkraftanlagen einen niedrigeren Bodenrichtwert (7,3 Prozent/Kilometer) auf als jene in größerer Entfernung.
Ein Blick auf das europäische Ausland zeigt ein ähnliches Bild. Für Dänemark haben Wirtschaftswissenschaftler der Universität Kopenhagen im Jahr 2018 gezeigt, dass Windparks Immobilienpreise bis zu einer Entfernung von drei Kilometern negativ beeinflussen können, während ein vergleichbarer Effekt bei Off-Shore-Windparks vor der Küste ausblieb – bei allerdings größeren Entfernungen. Ein weiteres Ergebnis der Studie: Zusätzliche Windräder haben einen vergleichsweise geringeren Effekt, was darauf hinweisen kann, dass die Gruppierung von Anlagen in Windparks bevorzugt wird.
Eine niederländische Studie von 2021 kommt – bei der Untersuchung eines langen Zeitraums von 1985 bis 2019 – zu dem Schluss, dass sowohl Windenergie- als auch Photovoltaik-Anlagen den Wert von Häusern negativ beeinflussen können: Bei Windrädern spielte die Höhe eine wichtige Rolle: bei Höhen über 150 Meter waren Wertverluste bis zu 5,4 Prozent innerhalb von zwei Kilometern um die Anlage möglich (im Durchschnitt 1,8 Prozent). Bei Solaranlagen sank der Wert um bis zu 2,6 Prozent in einem Umkreis von einem Kilometer. In den Niederlanden gibt es bereits seit einigen Jahren ein Kompensationsmodell, welches Ausgleichszahlungen für Anwohner in durch Lärm und Sichtbarkeit betroffenen Gebieten vorsieht.